Das Buch zur Corona–Trilogie von andpartnersincrime

»Im März 2020 brachen mit der Ausbreitung des Corona-Virus Grundlage und Gegenstand unserer künstlerischen Arbeit weg: Das Theater und die parlamentarische Politik. Zuerst wurden alle Theaterveranstaltungen abgesagt, dann wurde der Aufenthalt von Gruppen mit mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum verboten. Die Gesellschaft wurde in sogenannte Kernfamilien aufgeteilt und die Menschen vergruben sich in digitale Höhlen, in welchen das Weltgeschehen lange Schatten an die Wände warf. 

Ende Mai – mitten in der gesellschaftlichen Schockstarre des Lockdowns – kaperten wir dann zusammen mit einigen Nachbar*innen die leerstehende ehemalige „Akademie der Arbeit“ in Frankfurt. Die vom Gewerkschaftsbund gegründete Institution, die hier seit den 1920-Jahren Arbeiter*innen Zugang zu politischer Bildung ermöglichte, besaß nicht nur eine professionell ausgestattete Großküche, sondern auch einen geräumigem Speisesaal und einen anliegenden Garten.

Mittlerweile haben sich über 100 Aktivist*innen dem Projekt angeschlossen und seitdem kochen wir drei Mal die Woche ein veganes Mittagsessen auf solidarischer Preisbasis und geben an manchen Tagen bis zu 150 Mahlzeiten an bedürftige Menschen und Nachbar*innen raus.

Der erste Lockdown hatte deutlich gemacht, wie wichtig die sorgetragenden Einrichtungen sind, aber auch wie schnell sie wegbrechen können und dass der Hashtag stayhome für viele nur nach einem schalen Witz klingt. Und nicht zuletzt hat uns die Pandemie schmerzhaft vor Augen geführt, wie vereinzelt wir alle leben. Wir wollten nach dieser Erfahrung nicht zurück in die sogenannte Normalität, die uns eh nie wirklich normal schien. Wir wollten aus der Krise lernen und eine neue Realität einstudieren. Und was wäre ein besserer Ort für ein solches Lernen als eine ehemalige Akademie? 

Also gründeten wir Ende August mit Hilfe des reload Stipendiums der Kulturstiftung des Bundes die „Akademie der Versammlung“. Wir luden Referent*innen ein, die ihre eigene Perspektive auf das Thema Versammlung, Wohnungsnot, Theater als aktivistische Praxis, kollektive Reproduktionsarbeit und Kantinen als Kunst mitbrachten. Gemeinsam mit unseren Gästen wurde zwei Tage lang gegessen, diskutiert, gekocht und geputzt.

Während wir unsere Kantine gründeten, passierte an einem anderen Punkt unserer Stadt etwas ähnlich Kurioses. Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung verließ mit ihren 93 Parlamentariern den Plenarsaal des Rathauses und zog in die Kantine der Stadtwerke, wo sich die Sicherheitsabstände besser einhalten ließen. Ähnlich wie in der ada_kantine wurden die Diskussionen ab diesem Moment begleitet von dem Geruch von Eintopf und dem Klappern von Geschirr. 

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Essen und politischer Versammlung begleitete von nun an unsere künstlerische Forschung. Im Fokus standen dabei drei Formen der Versammlung: Die Kantine (oder Küche), das Parlament und das Theater. Wir trafen uns mit Köch*innen, Jurist*innen, Theaterwissenschaftler*innen und Parlamentariern, befragten sie zu ihren Versammlungsformen und versuchten herauszufinden, inwiefern sie sich durch die Pandemie neu erfinden müssen. Einige ihrer Beiträge sind in dem vorliegenden Heft abgedruckt. 

Diese Publikation dokumentiert unsere Suche, die Fragen, die wir uns gestellt haben. Wie meistens in den Arbeiten von andpartnersincrime geben wir auch hier keine Antworten, sondern stellen Fragen, streuen den Zweifel und halten uns, im Sinne Donna Haraways an das was wir am Besten können: an die Unruhe.«

andpartnersincrime

Die Publikation steht hier zum kostenlosen Download bereit. Das Urheberrecht liegt ausschließlich bei andpartnersincrime.

Das Buch kann mit einer kurzen Mail bestellt werden info@andpartnersincrime.org.